Rosie Schindler

Rosie Schindler wurde am 24. August 1912 als Rosie Wagner in eine einfache Arbeiter Familie in Wien geboren. Sie hatte zwei Brüder und eine Schwester. Nach dem 1. Weltkrieg, in dem ihr Vater als Soldat gefallen war, wurde sie nach Holland geschickt um in Wien nicht zu verhungern. Mit der Familie, die sie aufnahm, hielt sie ihr ganzes Leben Kontakt. Zurück nach Wien, musste sie sehr jung arbeiten gehen, um die Familie zu unterstützen. Sie besuchte abends die Volkshochschule, wo sie ihren späteren Ehemann Prof. Hans Schindler kennen- und lieben lernte. Gemeinsam mit ihm kämpfte sie gegen Faschismus und gegen die Nazis.

1938 gelang ihr die Flucht nach England uns bald kam auch Hans nach. Er arbeitete beim BBC als Abhörer der Deutschen Sender. 1942 wurde ihr Sohn Michael geboren. 1946 kehrten sie nach Wien zurück. Hans arbeitete wieder als Lehrer und 1947 wurde ihre Tochter Susi geboren. 1965 heiratete Sohn Michael und wanderte mit seiner Frau Zsuzsi nach Israel aus. Sie gingen in den Kibbuz Kfar Menachem, wo Zsuzsi noch heute lebt. Auch die Tochter Susi wanderte nach Israel aus, ging nach Kfar Menachem, heiratete dort und lebt auch heute noch dort.

Als Hans 1982 starb, folgte Rosie mit 70 Jahren ihren beiden Kindern in den Kibbuz. Sie arbeitete freiwillig bis zu ihrem 90. Lebensjahr und war die beste Großmutter von fünf Enkeln. 1988 erkrankte ihr Sohn Michael schwer. Rosie spendete ihm eine Niere und verlängerte so sein Leben. 1994 starb Michael, das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann.

Rosie hatte eine wunderbare Beziehung zu ihrer Schwiegertochter und pflegte viele Freundschaften im Kibbuz. Ihre Liebe zu Wien blieb bis zu ihrem Ende bestehen.

Rosie Schindler war von der Geburtsstunde der „Österreichischen Kulturtage in Tel Aviv“ 2013 mit dabei. Sie war damals fast 101 Jahre alt und nahm die Mühe der Anfahrt vom Kibbutz Kfar Menachem auf sich. Sie konnte viele Hermann Leopoldi Lieder auswendig und sang sie mit großer Begeisterung bei den Konzerten mit.

Mit über 102 Jahren war sie die älteste Besucherin der Österreichischen Kulturtage im Jahre 2014. Als ich Rosie zu ihrem 103. Geburtstag in Kfar Menachem besuchte, sagte sie zu mir: „Ich denke nicht daran, vor den nächsten Österreichischen Kulturtagen zu sterben. Ich werde die Schinkenfleckerln wieder mit Andrea im Duett singen“.

Leider konnte sie die 4. Österreichischen Kulturtage nicht mehr erleben. Einen Monat vor ihrem 104. Geburtstag ist Rosie im Kreise ihrer Familie ruhig eingeschlafen.

Ihre Persönlichkeit, ihre positive Lebenseinstellung, ihr scharfer Verstand und ihr Humor waren einzigartig. Sie konnte sich an Kleinigkeiten freuen und ihr charmantes, spitzbübisches Lächeln bleibt unvergessen. Ich sehe sie vor mir, wie sie genüsslich und mit strahlenden Augen die Punschkrapferln isst, die ich ihr mitgebracht habe. Rosie Schindler bleibt unvergessen und für immer in meinem Herzen. Ich bin sehr dankbar, dass ich sie kennengelernt habe und viele Stunden mit ihr verbringen konnte.

Judith Weinmann-Stern